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Im Jahre 2017 wurde in Deutschland medizinisches Cannabis legalisiert. Seitdem haben Ärzte und Ärztinnen die Möglichkeit, cannabisbasierte Medikamente oder medizinische Cannabisblüten und Extrakte an ihre Patienten zu verschreiben. Leider wird der Vorgang der Verschreibung und des Einsatzes derzeit noch von einigen Hürden begleitet, wie zum Beispiel das fehlende Fachwissen der Mediziner, welche medizinischen Cannabissorten es auf dem Markt gibt und für welche Erkrankung sie am besten eingesetzt werden können.
Damit du dich als Cannabispatient selbst informieren kannst, klären wir dich in diesem Beitrag über wichtige medizinische Cannabissorten auf. Wir erläutern dabei die drei Cannabis Grundsorten und für welche Erkrankung welche Sorte erfolgreich eingesetzt werden kann.
Was ist medizinisches Cannabis?
Medizinisches Cannabis wird, anders als herkömmliches Cannabis, nicht zu Genuss- und Rauschzwecken, sondern gezielt zur therapeutischen Behandlung von verschiedenen Krankheiten und Beschwerden eingesetzt und hat ein detailliertes Cannabinoid- und Terpenprofil. Medizinisches Cannabis ist in der Regel auch potenter als Cannabis für Genusszwecke und wird unter strengen Kontrollen angebaut, geerntet, gelagert und ausgeliefert.
Cannabis enthält im Allgemeinen eine Vielzahl von chemischen Verbindungen, die die Pflanze selbst produziert, und deren Einsatz zur Behandlung von medizinischen Erkrankungen oder Symptomen, eine positiv, heilende oder lindernde Wirkung erzielen kann. Diese medizinisch genutzten Verbindungen und Stoffe sind insbesondere die Cannabinoide, wie THC und CBD und Terpene.
Medizinische Cannabissorten
Grundsätzlich werden medizinische Cannabissorten in die folgenden drei Hauptsorten unterteilt: Cannabis Sativa, Cannabis Indica und die Hybridsorten. Diese Klassifizierung wird unter anderem verwendet, um die Wirkungen der Sorten, auch Strains genannt, zu beschreiben. Cannabis Sativa sorgt, durch das erhöhte Vorkommen der Terpene Caryophyllene und Pinene, nach dem Konsum für ein erheiterndes und vitales Gefühl und wirkt auf den Konsumenten belebend und energetisierend. Cannabis Sativa fördert die Kreativität und hilft dabei, sich zu fokussieren.
Cannabis Indica dagegen wirkt entspannend, beruhigend und versetzt den Konsumenten in eine körperliche Tiefenentspannung, da Indica Sorten vermehrt die Terpene Mycren und Linalool enthalten.
Ein Cannabis Hybrid dagegen ist eine Mischung, die durch die Kreuzung von zwei oder mehreren Strains entstanden ist. Diese Hybride können sowohl Sativa- als auch Indica-Eigenschaften, in unterschiedlichen Verhältnissen, aufweisen. Hybride werden entwickelt, um die Vorteile der unterschiedlichen Sorten zu kombinieren und somit ein Gleichgewicht oder ein eigenes Wirkungsprofil zu erzielen.
Die Klassifizierung der drei Sorten ist heutzutage jedoch komplett überholt, da alleine die Sorte der Pflanze keine wirkliche Aussage über die Wirkungsweisen geben kann. Es gibt derzeit keine identifizierbaren biochemischen Merkmale, die eine Einteilung in Indica, Sativa und Hybrid unterstützen würden. Wirklich aussagekräftig und somit wichtig ist das Cannabinoid- und Terpenprofil.

Die Phytochemikalien
Die Cannabinoide und Terpene sind sogenannte Phytochemikalien, die in den Trichomköpfen der Cannabispflanze gebildet werden. Terpene sind die Duftstoffe der Natur und sorgen für die unterschiedlichen Gerüche, und das nicht nur bei Cannabis, sondern z.B. auch bei Nadelbäumen, Zitronen, Pfeffer usw. In erster Linie dienen die Terpene der Cannabispflanze als Abwehr- und Lockmittel, indem sie hilfreiche Insekten anlocken und Fressfeinde und Schädlinge abwehren. Des Weiteren bieten sie einen Schutz vor UV-Strahlen und Krankheitserregern.
Die verschiedenen Cannabinoide, wie THC und CBD, wirken auf unser körpereigenes Endocannabinoidsystem. Sie docken an bestimmte Rezeptoren an und bringen so bestimmte Vorgänge im Körper voran oder sie unterstützen diese. Eine genaue Beschreibung über dieses System und dessen Funktion findest du in dem Beitrag über das Endocannabinoidsystem. Die Entdeckung dieses Systems ist für den medizinischen Nutzen von Cannabis sehr wertvoll. Es erklärt, warum Cannabis so eine unfassbare Wirkung auf uns Menschen hat.
Sowohl Cannabinoide als auch Terpene werden, um sie in der Medizin gezielt einzusetzen und cannabisbasierte Medikamente zu erstellen, auch synthetisch hergestellt.
Cannabinoide und Terpene – die Wirkungsweisen
Die verschiedenen Cannabinoide und Terpene können entzündungshemmend, stimulierend, sedierend, schmerzlindernd, angstlösend, beruhigend, entkrampfend, krebshemmend usw. wirken, jedes anders in einer unterschiedlich hohen Intensität. Dabei kommt es darauf an, in welcher Konzentration die Stoffe vorhanden sind, denn die unterschiedlichen Chemikalien verstärken gegenseitig die Effekte, oder lindern diese ab. Das nennt man den Entourage-Effekt.
Manchen Verbrauchern wird beispielsweise nach dem Konsum einer potenten, THC-haltigen Sorte übel. Das Cannabinoid CBD wirkt dieser Übelkeit entgegen und mildert sie ab, daher ist in so einem Fall eine THC/CBD Kombination sinnvoll. Es ist wichtig zu verstehen, dass zwei Cannabissorten, die beide beispielsweise 18 % THC und 3 % CBD enthalten, also ein identisches Cannabinoidprofil, unterschiedlich wirken können, wenn sie ein differenziertes Terpenprofil haben.
Der Einsatz von medizinischem Cannabis
Medizinisches Cannabis wird zur Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen und Symptomen eingesetzt, darunter Schmerzen, chronische Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen bei einer Chemotherapie, Krampfanfälle, Spastizität bei Multipler Sklerose, Appetitlosigkeit bei HIV/AIDS, Angstzustände, Depressionen, Schlafstörungen und noch einige mehr. Wie bereits erwähnt, hängt die Wirksamkeit von medizinischem Cannabis von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Erkrankung, der Einnahmeform und Dosierung des medizinischen Cannabis, der Verträglichkeit des Patienten und der Art der Phytocannabinoide, die verwendet werden.
Sorten und Erkrankungen
Um die passende Sorte zu ermitteln, ist es wichtig zu wissen, welche Inhaltsstoffe in der Cannabispflanze vorhanden sind und wie diese (aufeinander) wirken. Letztendlich sollte die Bestimmung der Sorte gemeinsam mit einem qualifizierten Arzt oder Fachmann, wie beispielsweise einem Sachverständigen für medizinisches Cannabis entschieden und anschließend überwacht werden, um neben der passenden Sorte und Darreichungsform auch die korrekte Dosis zu ermitteln.
Chronische Schmerzen: Sorten mit einem höheren THC-Gehalt wie „White Widow“ oder „OG Kush“ können bei der Linderung von chronischen Schmerzen helfen, da THC eine hohe schmerzlindernde Wirkung aufweist.
Schlafstörungen: Sorten mit einem höheren CBD-Gehalt wie „ACDC“ oder „Harlequin“ haben beruhigende und entspannende Eigenschaften, die bei Schlafstörungen hilfreich sein können. CBD wirkt beruhigend und in der Verbindung mit den richtigen Terpenen sogar sedierend. Harlequin zählt zu den wertvollsten medizinischen Cannabissorten weltweit.
Übelkeit und Erbrechen: Sorten mit einem hohen Beta-Caryophyllen-Gehalt (THC-dominant), wie „Panama Red“ und “OG Kush“ können bei der Linderung von Übelkeit und Erbrechen hilfreich sein. Studien haben ergeben, dass cannabisbasierte Medikamente bei Übelkeit und Erbrechen während einer Chemotherapie wirkungsvoller sind, als herkömmlich eingesetzte Arzneien. Medizinisches Cannabis bringt auch weniger Nebenwirkungen mit sich und das THC wirkt unter anderem appetitanregend, was oft ein positiver Nebeneffekt bei einer Chemotherapie ist.
Multiple Sklerose (MS): Die Erfahrung weist darauf hin, dass die Kombination verschiedener THC-dominanter Chemotypen bei Krämpfen und Schmerzen eine nachhaltige und gute Linderung verschafft. Hilfreiche Sorten können hier “Blue Dream” oder “Bubbas Kush” sein. Vor allem “Blue Dream” sorgt für eine intensive körperliche Entspannung und wirkt somit den Spastiken entgegen.
Angststörungen: Sorten mit einem höheren CBD-Gehalt und einem niedrigeren THC-Gehalt wie „Charlotte’s Web“ oder „Harle-Tsu“ haben beruhigende Eigenschaften und somit bei der Linderung von Angstsymptomen helfen. Wichtig ist hier eine permanente, aber niedrige Dosierung. “Charlotte´s Web” wird auch bei Epilepsie vermehrt eingesetzt.
Einnahme und Dosierung von medizinischem Cannabis
Einnahmeformen
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten um medizinisches Cannabis einzunehmen:
- inhalieren, rauchen
- orale Einnahme von Fertigarzneien in Form von Kapseln, Tabletten, Sprays
- orale Einnahme von selbst hergestellten Edibles, Öl, Tropfen oder Tees
- sublingual-Tropfen und Öle unter die Zunge geben
Oral verabreichtes Cannabis wirkt erst nach 45 bis 180 Minuten. Die Wirksamkeit einer oral verabreichten Dosis ist teilweise doppelt so lange spürbar, als von gerauchten oder vaporisierten medizinischen Cannabis, deshalb kann es weniger oft verabreicht werden.
Verwendet der Patient das Cannabis sublingual, wird es direkt in den Blutkreislauf aufgenommen und die Wirkung ist innerhalb wenigen Minuten spürbar, vor allem die psychoaktive Wirkung von THC.
Wenn der Patient medizinisches Cannabis raucht oder vaporisiert, tritt die Wirkung ebenfalls innerhalb von ein paar Minuten ein. Der Konsum durch das Rauchen ist die ungesündeste Form, da oft die Verbrennungstemperatur sehr hoch ist und toxische Stoffe, vor allem bei einer Beimischung von Tabak, mit inhaliert werden. Die gesündere Alternative ist die Nutzung einer Verdampfers, bzw. eines Vaporisators.
Die Dosierung
Je nach Erfahrung und Vorliebe des Patienten, kann gemeinsam mit dem Arzt eine geeignete, alltagstaugliche Einnahmeform gewählt werden. Für die Dosierung können keine allgemeinen Tipps gegeben werden. Ein vernünftiger Ansatz besteht darin, mit einer möglichst geringen Dosierung zu starten, und diese so lange zu steigern, bis die Symptome optimal gelindert werden.
Das ist vor allem bei Patienten wichtig, die keine oder wenig Erfahrungen mit Cannabis haben und bei einer THC-reichen Medikation. In diesem Fall gilt es, die Psychoaktivität komplett zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten. Cannabis-Dosen mit 2,5 bis 10 Milligramm THC können zahlreiche Symptome lindern, ohne unangenehme psychische Folgen zu haben. Liegt die notwendige Dosierung weit über diesem Wert, in eine Zugabe von CBD sinnvoll, um die Psychoaktivität zu reduzieren.